Die Zukunft von medizinischem Cannabis: Fertigarzneimittel als Ziel
Hanf vor weißem Hintergrund

Alessandro Rossoni, Mitbegründer des Start-ups Nimbus Health, das sich auf medizinisches Cannabis spezialisiert hat, spricht über die Herausforderungen im Gesundheitssystem, die Debatte über die Legalisierung und die Zusammenarbeit mit Big Pharma.

Nimbus Health und seine Rolle im medizinischen Cannabis-Markt

Nimbus Health wurde 2018 von Alessandro Rossoni und Linus Weber gegründet und hat sich zu einem bedeutenden Großhändler für medizinisches Cannabis entwickelt. Das Unternehmen basiert auf drei Säulen: dem pharmazeutischen Großhandel, der Lagerung und Logistik und der Rolle als “pharmazeutischer Unternehmer”. Als solcher kann Nimbus Health medizinisches Cannabis importieren, bei den Behörden anmelden, auf Reinheit analysieren und für den Markt freigeben.

Die Entwicklung der Nachfrage nach medizinischem Cannabis

Seit 2017 erstatten Krankenkassen in Deutschland die Kosten für verschreibungspflichtiges Cannabis. Die Nachfrage nach medizinischem Cannabis ist seitdem kontinuierlich gestiegen, mit einer jährlichen Verdoppelung der Nachfrage von 2017 bis 2020. Trotz einer leichten Abschwächung während der Corona-Pandemie verzeichnet der Markt immer noch ein Wachstum von zehn bis zwanzig Prozent pro Quartal.

Die Herausforderungen für Ärzte und Apotheken

Die Verschreibung von Cannabis stellt Ärzte und Apotheken vor Herausforderungen. Das liegt vor allem daran, dass Cannabisblüten und -extrakte indikationsfrei zugelassen sind, was bedeutet, dass Ärzte sie nach eigenem Ermessen verschreiben können. Dies unterscheidet sich von den standardisierten Prozessen für die Bewertung und Zulassung von Arzneimitteln, die normalerweise in Deutschland gelten.

Die Anwendung von medizinischem Cannabis

Medizinisches Cannabis wird zur Behandlung verschiedener Krankheitsbilder und Beschwerden eingesetzt. Es kann von Ärzten verschrieben werden, wenn sie es für medizinisch sinnvoll halten. Die Kosten werden jedoch nur dann von den Krankenkassen übernommen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dies gilt insbesondere für Patienten im Schmerz- und Palliativbereich, die ausgeschöpft sind und deren Krankheit chronisch ist.

Die Zukunft von medizinischem Cannabis: Fertigarzneimittel

Die Zukunft von medizinischem Cannabis könnte in Fertigarzneimitteln liegen. Der Gemeinsame Bundesausschuss, der Regulator des deutschen Gesundheitssystems, ist nicht begeistert von der Ausnahme für Cannabisblüten, da sie Präzedenzfälle schafft. Fertigarzneimittel könnten eine Lösung sein, um den Prozess zu standardisieren. Allerdings gibt es derzeit nicht genug Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis, um alle Indikationen abdecken zu können.

Die Übernahme durch Dr. Reddy’s

Nimbus Health wurde 2022 vom indischen Pharma-Konzern Dr. Reddy’s übernommen. Die Übernahme ermöglicht es Nimbus Health, seine Strategie zur Entwicklung vonFertigarzneimitteln fortzusetzen. Als Start-up wäre dies aufgrund der hohen Kosten und der geringen Erfolgswahrscheinlichkeit fast unmöglich gewesen. Mit Dr. Reddy’s als Partner hat Nimbus Health nun das nötige Know-how und die finanziellen Ressourcen.

Die Rolle von Nimbus Health in der Zusammenarbeit

In der Zusammenarbeit mit Dr. Reddy’s spielt Nimbus Health eine entscheidende Rolle bei der Suche nach vielversprechenden Forschungsprojekten im Bereich medizinisches Cannabis. Wenn ein Projekt wissenschaftlich und ökonomisch sinnvoll erscheint, geht Nimbus Health eine Zusammenarbeit ein und kann auf die Ressourcen von Dr. Reddy’s zurückgreifen.

Vielversprechende Projekte

Seit der Fusion mit Dr. Reddy’s hat Nimbus Health bereits einige vielversprechende Projekte entdeckt. Ein Beispiel ist ein Dosisinhalator aus Israel, der Cannabisblüten in Chips verarbeitet. Eine Software individualisiert die genaue Wirkstärke und Zugdauer nach den Bedürfnissen jedes Patienten. Dies ermöglicht eine Standardisierung, die wissenschaftliche Studien ermöglicht und die benötigte Menge an Cannabisblüten um den Faktor 50 bis 100 reduziert.

Die Zukunft von medizinischem Cannabis in Deutschland könnte in Fertigarzneimitteln liegen. Trotz der Herausforderungen und der hohen Kosten für die Entwicklung solcher Arzneimittel ist dies das erklärte Ziel von Unternehmen wie Nimbus Health. Mit der Unterstützung von Big Pharma könnte dieses Ziel erreicht werden, was zu einer Standardisierung und möglicherweise zu einer breiteren Akzeptanz von medizinischem Cannabis führen könnte.

Quelle

“Medizinisches Cannabis: „Fertigarzneimittel waren immer das Ziel“”, Frankfurter Rundschau, 2. Juli 2023

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