Eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein will heute für die geplante Freigabe von Cannabis stimmen. Das hat eine Abfrage von NDR Schleswig-Holstein ergeben.
Cannabis-Politik: Jugendliche besser schützen
Bis zu drei Hanfpflanzen für den Eigenanbau und ein legaler Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis: Ob das ab April in Deutschland erlaubt sein wird, darüber entscheiden auch die 28 Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein. Und wenn es allein nach ihnen ginge, würde das Cannabis-Gesetz heute im Parlament durchkommen.
NDR Schleswig-Holstein hat bei allen Bundestagsabgeordneten von SPD, Grünen, FDP, CDU, AfD, der Linken sowie dem SSW nachgefragt, wie sie abstimmen wollen – und warum. Lediglich Astrid Damerow (CDU) und Christina Aschenberg-Dugnus (FDP) antworteten bis Fristende nicht. Uwe Witt (parteilos) nimmt aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Abstimmung teil und ließ sich entschuldigen.
FDP-Politiker Wolfgang Kubicki: “Noch nicht final entschieden”
Erwartungsgemäß wollen sowohl alle Abgeordneten der Kanzler-Partei SPD (8) als auch die der Grünen (6) für das Gesetz stimmen. Zudem waren zwei der drei Rückmeldungen aus der FDP positiv – allein bei Wolfgang Kubicki (Wahlkreis Steinburg/Dithmarschen-Süd) scheint der Ausgang noch offen. “Ich habe mich noch nicht final entschieden, aber erhebliche Bedenken“, sagt Kubicki zum Gesetzesentwurf der eigenen Koalition. So müssten seiner Meinung nach deutlich stärkere Anstrengungen unternommen werden, um Jugendlichen den Zugang zu Cannabis zu versperren.
Grundsätzlich halten die Befürworter des Gesetzes – neben Politikerinnen und Politikern der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP auch die zwei Abgeordneten der Linken sowie des SSW – die bisherige Cannabis-Polik für gescheitert. “Der steigende Konsum von gefährlicheren, gestreckten Substanzen, Drogenkriminalität, Schwarzmarkt und die Kriminalisierung von Kleinstmengen zeigen das ganz deutlich“, antwortete uns SPD-Mann Ralf Stegner (Wahlkreis Pinneberg).
Auch SPD-Abgeordnete wie Bengt Bergt (Segeberg/Stormarn-Mitte) und Bettina Hagedorn (Ostholstein/Stormarn-Nord) betonen, wie hoch der Aufwand bei Polizei und Justiz wegen der Kriminalisierung von Kleinstmengen sei. Außerdem gebe es bei der Zahl von Cannabis-Konsumenten einen hohen Anstieg unter jungen Erwachsenen. Bergt und Hagedorn sprechen davon, die Präventionsarbeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen stärken zu wollen.
Politik der Legalisierung das falsche Signal?
Das hält auch CDU-Mann Johann Wadephul (Rendsburg-Eckernförde) für eine gute Idee – ohne aber das sogenannte Cannabis-Gesetz zu unterstützen. Er fordert, “stattdessen in Aufklärungs- und Präventionskampagnen zu investieren, die einen breiten Querschnitt der Bevölkerung erreichen, auf die Risiken beim Konsum von Cannabis aufmerksam machen und die insbesondere den Kinder- und Jugendschutz in den Blick nehmen.”
CDU-Politikerin Melanie Bernstein sieht den Kinder- und Jugendschutz gefährdet.
Wie Wadephul wollen die vier anderen CDU-Abgeordneten, die auf NDR Anfrage geantwortet haben, gegen das Gesetz stimmen. Das gilt auch für AfD-Mann Gereon Bollmann (Rendsburg-Eckernförde), der in seiner Antwort mögliche Gefahren für Heranwachsende hervorhebt: “Durch die Legalisierung einer Droge können auch Kinder und Jugendliche einfacher Zugriff auf sie nehmen, sei es durch Erwerb von Heranwachsenden oder Erwachsenen, sei es durch die gesellschaftliche Einstellung oder Stimmung, was erlaubt sei, sei weitgehend ungefährlich.”
Auch Mark Helfrich (Steinburg/Dithmarschen Süd) und Melanie Bernstein (Plön/Neumünster), beide von der CDU, nennen den ihrer Meinung nach unzureichenden Kinder- und Jugendschutz als Grund für ihre Ablehnung. Bernstein glaubt außerdem nicht an eine mögliche Entlastung von Justiz und Polizei durch die Legalisierung. So könne durch möglicherweise steigende Gefahren für die Verkehrssicherheit sogar eine Mehrbelastung entstehen – und dadurch, dass Verfahren gegen Personen womöglich neu aufgerollt werden müssten, die wegen Cannabis-Verstößen in Haft sitzen.
Cannabis-Gesetz: Sorgen um das Sicherheitsgefühl
Was sich zeigt: Selbst jene SH-Abgeordneten, die dem Gesetzesentwurf zustimmen wollen, sind damit nicht ganz glücklich. So sagt zum Beispiel der SPD-Abgeordnete Tim Klüssendorf (Lübeck), dass ihm das Gesetz eigentlich nicht weit genug geht. Zum Beispiel hätte er sich eines ohne Obergrenze für Besitzmengen sowie mit lizenzierten Fachgeschäften für Cannabis gewünscht.
Auch sein SPD-Kollege Kristian Klinck (Plön/Neumünster) sieht in dem Gesetz, das er mittragen will, nicht den großen Wurf: “Die Entscheidung fällt mir schwer, weil Cannabis in vielen Fällen gesundheitsschädlich ist und weil ich durch einen möglichen Konsum im öffentlichen Raum eine Gefahr für das Sicherheitsgefühl der Einwohnerinnen und Einwohner sehe.” Doch bei Cannabis sei seiner Wahrnehmung nach gerade die Verbotspolitik für viele Probleme ursächlich, beispielsweise den hohen THC-Gehalt. Daher sei die Entkriminalisierung aus seiner Sicht die bessere Alternative, argumentiert Klinck.
Droht ein deutschlandweiter Flickenteppich?
FDP-Mann Maximilian Mordhorst (Kiel) wird dem Gesetz zwar mit “voller Überzeugung“ zustimmen. Auch er hätte sich aber gleich den freien Handel von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften gewünscht. Unausgereift findet auch die Linken-Politikerin Cornelia Möhring (Pinneberg) das Gesetz. Es sei nur ein erster Schritt – und kein guter: “Modellprojekte statt deutschlandweiter Legalisierung, keine fundierten Konzepte zur Prävention, vorerst weiter keine vernünftigen Grenzwerte für den Straßenverkehr”, zählt Möhring auf.
Während Europa gebannt auf den großen Wurf warte, überlasse der Bundesgesundheitsminister genauere Regelungen zu Cannabis Social Clubs und Modellprojekten den Ländern, kritisiert Möhring. “Das ergibt absehbar einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen.”
SSW-Mann Stefan Seidler (Flensburg/Schleswig) will zwar auch für das Gesetz stimmen, schließlich stoße es einen dringend benötigten Kurswechsel an. Er hätte es allerdings gut gefunden, wenn es zuvor Cannabis-Modellregionen gegeben hätte, um die Folgen einer bundesweiten Legalisierung besser einschätzen zu können. Und: “Gerade in Grenzregionen hätte ich es bevorzugt, wenn die Regelungen auch in Abwägung mit den Konsequenzen fürs Grenzland, zum Beispiel mit Blick auf möglichen Drogentourismus, ausformuliert worden wären”, sagt Seidler.
Stimmen Bundestag und Bundesrat zu, wird die Droge ab April legal. Jedoch wird es auch in Schleswig-Holstein zahlreiche Verbotszonen für den Konsum geben.
Die Landesstelle für Suchtfragen in SH kritisiert das neue geplante Cannabis-Gesetz. Mehr Jugendliche könnten die Droge probieren.
Safrin ist eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Hanfs und dessen Legalisierungsprozess in Deutschland. Mit einem juristischen Hintergrund und einer Spezialisierung auf das Drogenrecht kombiniert Safrin tiefgehendes rechtliches Wissen mit einem umfassenden Verständnis für die Hanfindustrie und deren gesellschaftliche Auswirkungen. Ihre Expertise und ihr Engagement haben sie zu einer Schlüsselfigur in der Debatte um die Hanflegalisierung gemacht, sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene.