Lauterbach bringt ein ungewöhnliches Gesetz zur Freigabe von Cannabis vor
Zur Freigabe von Cannabis legt Lauterbach ein bizarres Murksgesetz vor
Foto von Olaf Kosinsky auf Wikipedia Commons

Wann Bubatz legal? Als Christian Lindner auf Twitter dieser Frage nachging, war das einer der wenigen Momente, in denen er sich in der Ampel wohlfühlen konnte. Als die FDP nicht die ewiggestrige Partei von früher war, in der schlecht beratende Berater Parteichef Guido Westerwelle davon abhalten wollten, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Sondern die FDP, wie sie sonst nur Werbeagenturen für den heutigen Parteichef Christian Lindner designen: frech, kontrovers und zeitgeistig. Dazu gehört – auch wenn das viele nicht mögen – für zig tausende junger Menschen das Kiffen dazu.

In eigentlich allen Punkten der Politik stehen sich FDP und Grüne ideologisch diametral gegenüber.

In nahezu allen Punkten musste die FDP nachgeben, um ihren Funktionären Gehälter und Dienstwagen weiterhin zu sichern. Nur nicht in der Frage der Legalisierung von Cannabis: Der Staat soll dem erwachsenen Bürger nicht vorschreiben, welche Genussmittel er zu sich nimmt. Ein urliberaler Gedanke. Damit war die FDP kompatibel zu dem Jugendverband der SPD und zu den Grünen, für die das Kiffen zum guten Ton gehört, was der Autor aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

Eigentlich hätte die Legalisierung von Cannabis damit zu dem stringentesten Gesetz der Ampel werden können.

Zu dem, mit dem sie am stärksten bei sich selbst ist. Doch was Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in den Bundestag eingebracht hat, ist ein Bürokratiemonster: nicht hilfreich, unpraktikabel und in manchen Momenten bizarr. Statt grundsätzliche Leitplanken einzuschlagen, wollen SPD, Grüne und FDP dem Bürger bis ins kleinste Detail Vorgaben machen. Wer sich die Legalisierung von der Ampel erhofft hat, für den ist der Gesetzesentwurf eine Enttäuschung.

Ein Beispiel: Die Ampel will Anbauvereine erlauben.

Diese sollen Cannabis auch an Mitglieder zum Konsum weitergeben dürfen. Aber nur 25 Gramm am Tag und 50 Gramm im Monat. Es sei denn, das Mitglied ist jünger als 21 Jahre alt, dann darf es nur 30 Gramm im Monat erhalten. Will der Verein nun einem Mitglied 75 Gramm abgeben, muss er dieses auf drei Tagesportionen zu je 25 Gramm stückeln. Zwischen der Vergabe der zweiten und dritten Portion muss aber ein Monatswechsel liegen.

Der Verein kann dem Mitglied aber auch zwei Portionen zu je 25 Gramm geben und die übrig gebliebenen 25 Gramm an ein 20 Jahre altes Mitglied weiterreichen. Allerdings muss der Verein sicherstellen, dass dessen 17 Jahre alter Bruder nichts von dem Stoff abbekommt. Solche Regelungen kommen raus, wenn der Vater der „absoluten Killervariante“ Gesetze schreibt. Ach so: Wenn der Verein schon 499 Mitglieder hat, darf er keine Zwillinge aufnehmen. Nur einer könnte dann sofort Mitglied im Anbauverein werden, der andere müsste warten, bis eines der 500 Mitglieder abtritt.

Ein zweites Beispiel: Auch wer nicht Mitglied eines Anbauvereins ist, darf 25 Gramm Cannabis für den eigenen Bedarf besitzen.

Allerdings darf der THC-Gehalt zehn Prozent nicht überschreiten. Die Person darf das Cannabis dann als Haschisch oder Marihuana öffentlich rauchen. Allerdings nicht in einer Schutzzone von 200 Metern rund um Kitas, Schulen, Spielplätzen, Jugendzentren oder Sportplätzen.

Wer soll das kontrollieren?

Das fragt die Deutsche Polizeigewerkschaft und weist darauf hin, dass mit Lauterbachs Gesetz ein in seiner Masse kaum zu bewältigender Kontrollaufwand verbunden sein wird. Und vor allem: ein praktisch kaum umzusetzender Kontrollaufwand. Wobei TE für das Einhalten der Schutzzone einen Vorschlag hätte. Vor allem für die Polizei Frankfurt: Einfach 134 Abstandshölzer aus der Corona-Zeit aneinanderkleben und so den vorschriftsgemäßen Abstand zwischen Kiffer und Sportplatz prüfen und wahren. Das 134. Abstandsholz müsste aber um zwei Drittel seiner Länge gekürzt werden.

Es ist aber nicht so, dass die Ampel um diesen Kontrollaufwand nicht wüsste. Für den Umgang damit hat sie eigene praktische Vorschläge gemacht. Also zumindest in dem Sinne, den Lauterbach und die Ampel unter praktisch verstehen: Erst nach fünf Jahren werde es die von der Ampel gewünschte Zahl von 3000 Anbauvereinen geben. Bis dahin könnten die Länder ja „die Personal- und Sachmittelkapazitäten sukzessive anpassen“.

An dem Punkt zeigt sich, dass die Ampel mit dem Cannabis-Gesetz in all ihren Zielen gescheitert ist: Eigentlich wollten SPD, Grüne und FDP den Cannabis-Konsum entkriminalisieren. Dadurch sollte die Polizei entlastet werden. Stattdessen müssen die Länder nun „Personalkapazitäten sukzessive anpassen“. Statt weniger wird mehr Polizei für die Hasch-Kontrollen notwendig. Außerdem wollte die Ampel die Konsumenten aus der Kriminalität holen. Doch in der stehen sie dank Lauterbachs Entwurf weiterhin: Wenn der THC-Gehalt elf statt zehn Prozent beträgt, der kleine dem großen Bruder den Stoff klaut oder der Anbauverein seinem Mitglied 30 statt 25 Gramm Tagesration zuweist.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft geht davon aus, dass das Gesetz auch nicht den Schwarzmarkt beenden wird, was sich die Ampel ursprünglich ebenfalls vorgenommen hat. Zum einen sind die Mengen zu klein, die selbst 3000 Anbauvereine anbauen dürften. Zum anderen sind die Vereine nur bedingt attraktiv für die Konsumenten. Wer in ihnen Mitglied wird, wird damit auch zum staatlich registrierten Kiffer. Wie viele regelmäßige Bier- oder Weingenießer würden für sich selbst einen solchen staatlich registrierten Eintrag wünschen?

Und selbst wenn dieser Einwand nicht greift: Dann dürften 3000 Vereine zusammen nur 1,5 Millionen Mitglieder aufnehmen. Nach einer vom Gesundheitsministerium veröffentlichten Studie haben aber im Jahr 2021 in Deutschland 4,5 Millionen Menschen mindestens einmal gekifft. Das dürfte angesichts des verzerrenden Effekts der Illegalität in Umfragen noch konservativ gerechnet sein.

Die AfD möchte den Einsatz von Cannabis nur zu medizinischen Zwecken erlauben. Die Union hat sich komplett gegen das Gesetz der Ampel gestellt. In einem eigenen Antrag fordern CDU und CSU die Ampel auf, „ihr geplantes Vorhaben zur Legalisierung von Cannabis“ zu beenden. In dem Antrag übernimmt die Union die Argumente der Polizeigewerkschaft zur Kontrollierbarkeit des Gesetzes. Außerdem weist sie auf die Folgen des Konsums hin: Panikattacken, psychotische Symptome, beeinträchtigte Aufmerksamkeit, mangelnde Konzentration, gestörte motorische Koordination und Übelkeit.

Durchaus richtig. Nun soll es aber auch schon durch Alkohol gelegentlich zu Übelkeit gekommen sein, zu mangelnder Konzentration oder zu gestörter motorischer Konzentration. Schon nach geringen Mengen. Nach größeren Mengen sind auch Panikattacken und psychotische Symptome durchaus vorstellbar. Wollen CDU und CSU also auch Alkohol verbieten? Liberal wäre es, den erwachsenen Bürger selbst darüber entscheiden zu lassen, ob und welches Rauschmittel er sich antun will. Darin waren sich FDP, Grüne und zumindest der Jugendverband der SPD anfangs einig – doch statt konsequent durchzuziehen, haben sie ein Murksgesetz vorgelegt, das den Betroffenen kaum hilft, aber dafür Vorschriften bis ins Detail macht. Derzeit befindet sich der Entwurf samt den Änderungsanträgen der Opposition in den Ausschüssen des Bundestages.

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