Es ist kompliziert: seit 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland legal. Patienten mit einer vorliegenden Indikation (z.B. chronische Schmerzen) können sich beim Hausarzt ein Rezept besorgen und dann die Hanfblüten in der Apotheke beziehen. Das klingt zunächst einfach, ist es aber in der Realität nicht, denn die Versorgungslage der deutschen Apotheker ist schlecht. Nur ein Bruchteil der zugelassenen Sorten ist überhaupt erhältlich, weil Deutschland aktuell zu 100% von Importen aus den Niederlanden und Kanada angewiesen ist.
Das Problem: ein großer Teil der Cannabislieferungen erfolgt durch kanadische Produzenten, die aber direkt nach der Legalisierung dort im Jahr 2018 auf Grund der riesigen Nachfrage den Lieferverträgen teilweise nicht mehr nachkommen können. So ist der aktuelle Lieferengpass in Deutschland entstanden. Doch damit soll in Zukunft Schluss sein, denn Firmen können sich beim BfArM nun für entsprechenden Anbaulizenzen für Cannabis bewerben.
79 Bewerbungen für Cannabis-Lizenzen bisher
Laut einer Mitteilung des BfArM liegen derzeit bereits 79 Bewerbungen vor. Erste Erlaubniserteilungen sollen schon im zweiten Quartal 2019 erfolgen.
Große Einschränkungen, große Auswirkungen?
Die Lizensierung von Hanf-Anbau zu medizinischen Zwecken ist der richtige Weg, allerdings gibt es auch diverse große und kleine Einschränkungen: So wurde zunächst über die Gesamtmenge für die nächsten 4 Jahre entschieden. Und die ist relativ überschaubar, um nicht zu sagen klein! Das BfArM hat die Erntemenge auf nur 10.400 Kilogramm reglementiert. Das sind gerade mal 2.600 Kilogramm pro Jahr.
Nur 13 Lizenzen werden vergeben
Nicht alle Bewerber werden auch den Zuschlag zur Produktion von medizinischem Cannabis bekommen. Das BfArM hat geplant, nur 13 Lizenzen zu erteilen, was einer Produktionsmenge von nur 200 Kilogramm pro Lizenz und Jahr entspricht. Und das ist dann doch eine sehr kleine Menge, um unternehmerisch und wirklich professionell zu agieren, denn grundsätzlich ist diese Menge bei einer entsprechend großen Anbaufläche bereits mit einer einzigen Ernte möglich. Was macht der Lizenznehmer bzw. das Unternehmen dann mit dem Rest des Jahres? Kapazitätsauslastung sieht anders aus! Und wenn man sich einfach mal vor Augen hält, was im deutschen Markt gerade passiert, dann wirken diese Zahlen schon fast lächerlich: es gibt erste große Investitionen von Unternehmen, wie z.B. die von Mariplant ( eine Tochter von Wayland), die satte 25 Millionen in den Aufbau ihres Cannabis-Unternehmens in Deutschland stecken und bis Ende 2020 mit 1.000 Hektar Anbaufläche planen.
Zahlen und Fakten zu medizinischem Cannabis
Vor allem vor dem Hintergrund massiv steigender Akzeptanz und stark anwachsenden Patientenzahlen mit medizinischer Indikation, ist die angepeilte Produktionsmenge von 2.600 Kilogramm pro Jahr sehr gering. Nach einer Studie, gibt es in Deutschland derzeit etwa 14.000 Patienten, die bereits ganz legal und regelmäßig Cannabis auf Rezept beziehen. Das ergibt nach Adam Riese etwa 186 Gramm pro Kopf und Jahr. Weiter gerechnet: das ergibt dann 15,5 Gramm pro Kopf und Monat. Und bei chronisch kranken Patienten kann durchaus ein regelmäßiger täglicher Konsum angenommen werden. Ergibt unter dem Strich etwa 0,5 Gramm pro Tag. Und die Daten zu den Patientenzahlen sind aus Mitte 2018. Wir können also ziemlich sicher annehmen, dass es zum heutigen Stand bereits viel mehr sind.
erste Cannabisernte für Ende 2020 geplant
Da selbst für lizensierte Cannabisbauern sehr viele Auflagen zu erfüllen sind, rechnet das BfArM mit der ersten verwertbaren Ernte nicht vor Ende 2020. Wer bis hier her gelesen hat, wird relativ schnell feststellen, dass sich die Zahl der Cannabis-Patienten bis zu diesem Zeitpunkt vermutlich nochmals massiv erhöht haben wird. Selbst wenn wir bis dahin nur von 20.000 Konsumenten mit Rezept ausgehen, sinkt die monatliche verfügbare pro-Kopf-Menge auf 10,8 Gramm. Mehr als 0,3 Gramm darf dann der Durchschnittspatient nicht pro Tag zu sich nehmen.
Verwendung der Erntemengen unklar
Hinzu kommt, dass es aktuell keine Informationen darüber gibt, ob die Erntemenge komplett unverarbeitet (als getrocknete rauchbare Blüten) in den Apotheken landet. Ob Teile der Produktion auch zu entsprechenden Medikamenten weiter verarbeitet werden ist auch nicht bekannt.
Fazit
Ein guter Vorstoß in der Legalisierungsdebatte, allerdings sind die Produktionsmengen sehr wahrscheinlich zu klein. Es muss wahrscheinlich weiterhin auf Importe zurückgegriffen werden.
Weitere Quellen:
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/anbau-von-medizinischem-cannabis-79-firmen-bieten-mit,RGSRDAf
Nico ist ein freiberuflicher Autor mit Schwerpunkt auf der Cannabisindustrie. Er interessiert sich für die Auswirkungen von Cannabis auf die Wirtschaft, die Gesundheit und das Konsumverhalten. Nico möchte alle Standpunkte in objektiven Nachrichtenartikeln darstellen. Er glaubt, dass dies der beste Weg ist, um eine informierte Öffentlichkeit zu schaffen.